Europarat verabschiedet KI-Konvention Von Regina Wank, dpa

17.05.2024 15:42

Große Hoffnungen lagen auf der Konvention des Europarats zu
Künstlicher Intelligenz: Kann sie die Lücken schließen, die die EU
mit ihrem KI-Gesetz gelassen hat? Kritiker finden deutliche Worte.

Straßburg (dpa) - Der Europarat hat eine Konvention zum Schutz der
Menschenrechte beim Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI)
angenommen. «Mit diesem neuen Vertrag wollen wir einen
verantwortungsvollen Einsatz von KI sicherstellen, der die
Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie
respektiert», sagte die Generalsekretärin des Europarats, Marija
Pej?inovi? Buri?, am Freitag in Straßburg. Die Europäische Union
hatte sich bereits im Dezember auf ein Gesetz zur KI geeinigt, nun
folgt der Europarat, der von der EU unabhängig ist.

Länder weltweit können beitreten 

Nach der Unterzeichnung können der Konvention nicht nur die Staaten
des Europarats beitreten, sondern Länder weltweit. Außenministerin
Annalena Baerbock bezeichnete die Konvention daher als «Meilenstein».
Das Abkommen «zeigt auch, dass der Europarat Strahlkraft weltweit
hat, weil sich dieser ersten Konvention zur künstlichen Intelligenz
weitere Länder von ganz unterschiedlichen Kontinenten anschließen»,
so die Grünen-Politikerin.

Zu den 46 Mitgliedern des Europarats gehören alle 27 Länder der EU,
aber auch Länder wie Großbritannien oder die Türkei. Er ist damit
zuständig für 680 Millionen Menschen - von Grönland bis
Aserbaidschan. An den Verhandlungen beteiligt waren auch die USA,
Israel oder Kanada als Beobachterstaaten. Daher war die Hoffnung
groß, dass die Konvention umfassende Wirkung erzielt und
beispielsweise mächtige Tech-Unternehmen in den USA einhegen könnte.
Wer die Konvention unterzeichnet hat, ist daran dann auch gebunden.

Ein Abkommen mit vielen Ausnahmen

Der Vertrag legt nach Angaben des Europarats unter anderem
Transparenz- und Überwachungsanforderungen fest, etwa wenn Inhalte
von KI erstellt werden. Die Staaten müssen auch sicherstellen, dass
KI-Systeme das Diskriminierungsverbot und das Recht auf Privatsphäre
achten, hieß es. Außerdem müsse dafür gesorgt werden, dass KI-Syste
me
nicht dafür verwendet werden, demokratische Prozesse zu untergraben.
Um diese Ziele zu erreichen, sollen die Staaten unabhängige
Aufsichtsmechanismen einrichten. 

Bei Fragen der nationalen Sicherheit und Verteidigung greifen die
Vorgaben allerdings nicht. Auch können sich die Staaten bei der
Regulierung des Privatsektors aussuchen, ob sie statt der
Konventionsvorschriften eigene Maßnahmen ergreifen. Das sei nötig
wegen der unterschiedlichen Rechtssysteme, hieß es seitens des
Europarats. Kritiker bemängeln aber, dass damit das Abkommen
verwässert und Staaten und Unternehmen zu sehr freie Hand gelassen
werde.

Angela Müller von Algorithm Watch bezeichnete es grundsätzlich als
«wertvolles Signal mit Ausstrahlungskraft», dass der Europarat
anerkenne, dass es für den Schutz der Menschenrechte Regeln für den
Umgang mit KI brauche. Der Vertrag hinterlasse aber einen «bitteren
Nachgeschmack», da er diesen Zielen nicht gerecht werde. «Und obwohl
es nicht an Belegen mangelt, wie Tech-Konzerne mit
Social-Media-Algorithmen oder Deep-Fake-Generatoren die öffentliche
Meinungsbildung beeinflussen, überlässt es der Europarat den Staaten,
ob sie dafür weiche Maßnahmen oder bindende Gesetze erlassen wollen.
Er vertraut darauf, dass eine reine Selbstregulierung von Unternehmen
ausreichen wird, um Menschenrechte und Demokratie zu schützen», sagte
Müller der dpa.

Datenschutzbeauftragter: Rote Linien fehlen

Der Europäische Datenschutzbeauftragte hatte bereits in der
Schlussphase der Verhandlungen im März davor gewarnt, dass die
Konvention zu einer «verpassten Gelegenheit» werden könnte. Bemänge
lt
wurde vor allem, dass es in dem Entwurf an roten Linien für bestimmte
KI-Anwendungen fehle. Man sei besorgt, dass das Abkommen zu allgemein
gehalten sei und daher unterschiedlich angewendet würde. 

Deutschland muss nun in den kommenden Jahren sowohl das KI-Gesetz der
EU als auch die KI-Konvention des Europarats umsetzen und in
nationales Recht gießen. «Die Bundesregierung kann Versäumnisse von
Europarat und EU zumindest teilweise ausbügeln, indem sie bestimmte
KI-Anwendungen verbietet, etwa zur Gesichtserkennung in der
Öffentlichkeit», so Müller von Algorithm Watch.